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was kommt. Trends erkennen, Wissen bündeln und an den Herausforderungen wachsen: Was uns umtreibt, sind die digitalen Fragen der Zeit. Insights, Studien und Papers zur digitalen Transformation stehen hier.

Tschüss User Experience, Hallo Human Experience?

Für wen gestalten wir eigentlich digitale Erlebnisse?

Wir bei interactive tools arbeiten mit konsequenter Nutzerzentrierung. Das betrifft unsere UX-Konzepterin Susann genauso wie UX-Researcherin Nina. Doch wen meinen wir, wenn wir über die User in User Experience sprechen? Sind das andere Menschen, als die Kandidaten in einer Candidate Experience oder die Kunden in einer Customer Experience? Unsere Beraterin Meike arbeitet für große internationale Unternehmen und kennt die Probleme mit den Begrifflichkeiten. UX, CX oder HX?

Im Gespräch erörtern die Drei, ob wir die User Experience gestalten, wenn wir Websites entwickeln oder vielleicht eher die Human Experience. Und wie UX-Tests und agile Methoden uns dabei helfen, ein grundsätzliches Verständnis für User Experience in die Unternehmen zu tragen.

UX-Researcherin Nina (l.) tauscht sich mit Konzepterin Susann (r.) und Beraterin Meike aus

Machen wir jetzt UX oder HX?

Meike: Wir alle arbeiten täglich am Thema User Experience. Also die Erfahrungen, die eine Person mit einem Service, einem Produkt, einer Anwendung etc. macht. Das Nutzungserlebnis.
Mittlerweile gibt es ja nicht nur User Experience, sondern Customer Experience, Client Experience, Candidate Experience, Brand Experience, Employee Experience – das ist eine lange Liste.

Da lohnt sich die Frage: Ist jetzt der Zeitpunkt das weiter aufzufächern oder ist es sinnvoll, das wieder zusammen zu holen? Grundsätzlich geht es doch darum, etwas für Menschen zu entwickeln: Also eine Human Experience?
Unsere Kunden nehmen das aktuell eher auseinander. Da beschäftigt sich die HR-Abteilung mit einer Candidate Experience, die eine komplett andere ist, als die Customer Experience.

Ist das sinnvoll? Teilweise sind das ja dieselben Menschen. Ein Peter, der bei einem Unternehmen Kunde ist, kann sich dort ja auch bewerben. Er bringt alle Rollen immer mit. Gibt es eine Argumentation die Experiences zu trennen je nach Nutzungsszenario? Nutzungskontext? Oder kann man reduzieren auf die „menschliche Erfahrung“?

Susann: So erleben wir das in der täglichen Arbeit auch. Wenn wir über UX-Projekte sprechen, haben wir immer unterschiedliche Auftraggeber. Unsere Kunden kommen mit dem Konzeptteam oder dem UX-Team. Die sind häufig im Marketing oder in der Unternehmenskommunikation verortet und deren Perspektiven sind dann natürlich eher marketing- oder vertriebsorientiert.
Da sprechen wir dann auch über Customer Experience. Und mit den Personalern über Candidate Experience.

Nina: Ich glaube, es sind nicht zwingend unterschiedliche Zielgruppen, aber doch unterschiedliche Bedürfnisse, je nach dem in welchem Kontext du dich bewegst. Bei Amazon will ich nicht anrufen, aber bei einem B2B-Unternehmen will ich ein Foto sehen und sofort anrufen können. Also andere Bedürfnisse in einem anderen Kontext. Das müssen wir sehen.

Susann: Zu deinem Einwurf, es auf Human Experience zu reduzieren: Ich glaube, das ist keine Reduktion, sondern das füttert das Thema eigentlich mit viel mehr Daten, um den Nutzer packen zu können. Weil jeder Nutzer individuell ist. Es gibt „den Nutzer“ nicht. Die Unterteilung in Bewerber und Kunde hilft den Unternehmen eher, einzelne Bereiche auch einzeln bearbeiten zu können.
Problematisch bei dieser Unterscheidung in Kunde, Kandidat, Bewerber etc. ist eigentlich nur, dass die einzelnen Abteilungen schlecht miteinander kommunizieren. So kann meine Erfahrung als Kundin bei einem Unternehmen super sein, weil der Websitebereich getestet und optimiert ist. Aber als Bewerberin erlebe ich vielleicht schlechte Usability. Und das färbt auf die Gesamtmarke ab. Häufig auch auf mein Verhalten als Kundin.

Nina: Es kommt auch vor, dass unsere Kunden sagen: „Das sind alles Fachleute, die auf unserer Website sind. Die kennen die Fachbegriffe. Die kennen das alles.“
Aber das stimmt ja nicht. Es kann ja ein Berufsanfänger sein, der noch nicht alle Begriffe kennt oder jemand aus dem Sekretariat. Oder jemand, der sich bewerben will oder ein Journalist. Du hast ja immer eine differenzierte Zielgruppe.

Meike: Einige unserer B2B-Kunden sagen: „Ich kenne meine 100 Kunden persönlich.“ Das ist eine luxuriöse Position. Mit diesem Wissen kann man die eigene Website optimal für diese Menschen gestalten.
Spätestens bei der Fachkräftebeschaffung sieht die Situation aber oft weniger komfortabel aus. Und da muss man eben doch übergreifende Aussagen über Bedürfnisse treffen können. Und Nutzer verstehen, die man noch nicht kennt. Und sie eben auch einordnen in Kontexte: Bewerber, Kunde, Mitarbeiter und so weiter.

Susann: Richtig. Und das sind natürlich alles Menschen. Die UX-Branche wird sich so schnell nicht in „Human Experience“ umbenennen, aber perspektivisch ist es ein wichtiger Aspekt, den wir nicht vernachlässigen dürfen: Die ganzheitliche Erfahrung, die ein Mensch mit einer Anwendung oder einem Unternehmen macht.

Viel wichtiger als das Verständnis für die Fachbegriffe ist sowieso das Verständnis, dass es um einen Perspektivwechsel geht: Nutzende wirklich zu verstehen.

User Experience als Perspektivwechsel

Meike: Schafft ihr das immer, den Perspektivwechsel, die Nutzenden verstehen?

Susann: Zu Beginn ja. Wir beschäftigen uns vor jedem Projekt ausführlich mit der Zielgruppe: Erstellen Personas, machen Research, entwickeln eine Customer Journey – alles was nötig ist, um die Menschen besser zu verstehen, die unsere Anwendung nutzen sollen.
Im Laufe eines Projektes kann diese Perspektive allerdings, besonders bei den Kunden, aus dem Blickfeld geraten.

Nina: Und da merkt man immer wieder, wie wichtig so ein UX-Test ist, bei dem tatsächliche Nutzer da sind. Oft sagt Susann nach einem Test und einem angepassten Prototypen dann: Jetzt sind wir wieder bei meinem initialen Entwurf. Durch Diskussionen mit den Kunden und Anpassungen an die technischen Bedingungen ist alles irgendwann zu kompliziert geworden. Das Ergebnis war dann für die Nutzer nicht mehr intuitiv verständlich.

Meike: In diesen Räumen, in denen etwas entwickelt wird, sitzen ja keine Nutzer.
Ist ein UX Test nicht eigentlich ein Umweg, um den Nutzer wieder reinzuholen?

Susann: Vielleicht. Doch dafür bin ich als Konzepterin ja auch da. Bei den Kennenlernrunden zum Start eines neuen Projekts, stelle ich mich oft bewusst als Schnittstelle zwischen Nutzer und unseren Kunden vor.
Also ich verstehe die Bedürfnisse der Kunden. Marketingzentriert. Aber ich setze mir natürlich auch immer wieder die Brille des Nutzers auf. Und das miteinander zu matchen, dass das ineinandergreift, das ist die Gradwanderung, die man als Konzepter macht.
Wir fangen ja nicht auf der grünen Wiese an. Es gibt organisatorische und technische Gegebenheiten. Und da muss ich wissen, wann ich die Brille des Nutzers weglege.

Meike: In dem Moment, in dem wir eine Methode, wie eine Customer Journey einsetzen und die Kunden den Perspektivwechsel mitmachen, dann kommen ja die Aha-Momente. „Jetzt habe ich verstanden, warum!“
Und da müssen sich alle Personen bewusst machen, dass das immer wieder ein Wechsel ist.

Susann: Absolut. In unseren Projekten ist die größte Hürde auch nicht der Perspektivwechsel. Es ist die interne Kommunikation. Mit unseren Ansprechpartnern, die hier sind, gibt es wenig Diskussionen. Die sehen das ja hier. Die erleben das Gleiche wie wir.
Wenn sie dann zurück gehen, in ihr Unternehmen, haben sie mit den Stakeholdern der unterschiedlichen Abteilungen Diskussionen und müssen da um Glaubwürdigkeit kämpfen. Das ist schon eine große Herausforderung.

„Viel wichtiger als das Verständnis für die Fachbegriffe ist sowieso das Verständnis, dass es um einen Perspektivwechsel geht: Nutzende wirklich zu verstehen.“Susann, UX-Konzepterin bei interactive tools

Meike: Welche Erfahrungen macht ihr da mit den Highlight-Videos aus unseren UX Tests?

Nina: Es ist ein gutes Visualisierungstool. Es ist anders den Leuten zu sagen: Es hat nicht funktioniert; als ihnen zu zeigen: Es hat nicht funktioniert. Der Proband hat es nicht geschafft den Antrag abzuschließen. Er hat die Seite nicht verstanden oder den Button einfach nicht gesehen. Das Highlight-Video erzeugt Empathie und hilft beim Perspektivwechsel.

Susann: Durch die Highlight-Videos kann der Marketingchef im Jour Fixe mit der Geschäftsführerin dann, anstatt irgendwelcher Charts, einfach ein 30-sekündiges Video von einem Probanden zeigen. Das wirkt und fördert strategische Entscheidungen in Richtung stärkere Nutzerorientierung im gesamten Unternehmen.

Nina: Ich glaube, dass es total hilft, für die Methode generell eine stärkere Anerkennung zu kriegen, weil die Leute dann erst verstehen, was da passiert. Nicht jeder in einem Unternehmen weiß automatisch, wie so ein UX-Test eigentlich abläuft.

Agile Methoden können helfen, UX besser zu verstehen

Meike: Zurück zur Herausforderung, wie UX-Erkenntnisse effektiv in die Unternehmen weitergetragen werden können: Dabei helfen uns auch die agilen Methoden.
Wenn ich klassisch Wasserfall arbeite und irgendwann sage: Hier ist das fertige Ding, dann wird mein Kunde das anders weitertragen, als wenn er jeden Tag mit daran gearbeitet hat und immer wieder bestätigt hat, in welche Richtung wir gehen, was wir anpassen.

Susann: Absolut. Bei meinen jüngsten UX-Tests hier im Haus, haben wir immer die agile RITE Methode genutzt. Rapid Iterative Testing and Evaluation.
Also am ersten Tag testen. Einen Tag Feedback einarbeiten. Und dann nochmals testen.
Am ersten Testtag werden mit den Probanden die größten Pain Points identifiziert. Dann wird definiert: Was hat gar nicht funktioniert, wo wollen wir noch einen Quick-Win, welche Maßnahmen können wir umsetzen.
Wir arbeiten hier mit einem Klickdummy und keinem programmierten Produkt. Das heißt, man kann vielleicht nicht alles 1-zu-1 umsetzen, aber man kann Dinge schnell verändern und anpassen für den nächsten Testtag.
Da tauchen dann meist die alten Fehler überhaupt nicht mehr auf. Und man merkt, ob die kleinen Veränderungen etwas gebracht haben.

Darum geht es: Dieses schnelle Reagieren und gleich wieder Nachfragen und Anpassen.

Nina: Was ich schön finde, ist, dass du die neuen Ideen, die du hast, direkt validierst.
Wenn du deine neuen Ideen mitnimmst, kannst du nicht belegen, dass es besser funktioniert. Aber wenn du es direkt am zweiten Tag getestet hast, kannst du sagen: Wir haben es so gemacht; hat funktioniert.
Bei UX-getriebenen Projekten testen wir teilweise in jedem Sprint. Und spätestens wenn die Kunden bei uns im Labor einen Test erleben, müssen wir für User Experience keine Überzeugungsarbeit mehr leisten.

Was können wir für Sie tun?

Sie möchten ein digitales Projekt verwirklichen? Dann kontaktieren Sie uns. Als verlässlicher Partner bieten wir interaktive Markenerlebnisse und digitale Komplettlösungen aus einer Hand.

Meike Bölts

Meike Bölts
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